Project context: Why, how, and what is the ARDC?

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Re:thinking the Artist Run Data Center

Vinzenz Landl gibt einen Überblick über das Re:ARDC-Projekt von servus.at und die Gründe dafür.

Die meisten gemeinnützigen Vereine werden die folgende Situation kennen: Aus Leidenschaft investieren Vorstand und Mitglieder hunderte Stunden an ehrenamtlicher Arbeit in Projekte, Förderanträge, Veranstaltungen, Sitzungen etc. Während die notwendigen Arbeiten meist abgedeckt sind und die Organisationen regional bekannt sind, wissen Menschen aus weiter entfernten Regionen oft nichts von diesen Organisationen, ihren Projekten oder Veranstaltungen. So stellen sich Fragen der Sichtbarkeit, oft in Form von: "Wie können wir mehr Menschen erreichen und sie in unsere Arbeit miteinbeziehen?"

Dies ist besonders relevant für servus.at, ein Verein, der nicht nur an der Förderung und Umsetzung seiner eigenen Aktivitäten interessiert ist, sondern auch ein starkes Interesse daran hat, das selbst gehostete Toolkit einer großen Anzahl von Künstlern und Kulturschaffenden anzubieten.
Natürlich sind Instrumente wie soziale Medien, Flyer, Plakate und Mundpropaganda die zuverlässigsten Wege, um die eigenen Tätigkeiten und die Sichtbarkeit zu erhöhen, die meisten Organisationen nutzen diese Möglichkeiten aber bereits. Dennoch (oder natürlich) ist es fast unmöglich, mit diesen Mitteln eine überregionale Bekanntheit der Vereinsaktivitäten zu erreichen, insbesondere bei Organisationen, die erst vor relativ kurzer Zeit gegründet wurden. Außerdem stellt sich die Frage, was der Mehrwert von Sichtbarkeit überhaupt ist - wenn man beobachtet, wie die toxische Dynamik der Aufmerksamkeitsökonomie und der Influencer-Ära jede nette Kleinigkeit, die bis dahin auf wundersame Weise verborgen war, zu verschmutzen und zu zerstören scheint. Wollen wir überhaupt sichtbar sein? Wie gehen wir mit dem schmalen Grat zwischen der Förderung wertvoller Kulturarbeit und Eigenwerbung um? Was macht Sinn, gezeigt zu werden und wie?

Natürlich ist servus.at weder eine Werbeagentur noch eine Social Media Plattform. Wir haben aber erkannt, dass wir solchen Aspekten mehr Raum geben müssen. Deshalb haben wir bei servus.at das Projekt "Re:ARDC" ins Leben gerufen, das die Rolle des Artist Run Data Centers (ARDC) als kollaborative Plattform für KünstlerInnen und Kollektive aus der servus/AMRO-Community neu überdenken soll.

Das übergeordnete Ziel dieses Projekts ist die Schaffung eines neuen Kommunikationsraums für die Aktivitäten der Mitglieder der Kunst- und Kulturinitiative servus.at zu schaffen. Eine Website, die die Verbindungen zwischen der Infrastruktur, den Aktivitäten der Mitglieder, den künstlerischen Forschungsprozessen und dem kritischen Diskurs, der im Kontext von Art Meets Radical Openness entwickelt wurde, sichtbar macht. Das Projekt "Re:ARDC" zielt darauf ab, die Community zu stärken und ihr Wissen durch die Dokumentation bestehender Projekte, wie die Reihe der artists in residency innerhalb des ARDC, zu verbreiten.

Und warum heißt es Re:ARDC? Ganz einfach, weil dieses Projekt (ARDC) in seiner Grundform kein neues Projekt ist und ARDC RE-gedacht ist, also Re:ARDC. Eine andere Interpretationsmöglichkeit wäre, "Re:" mit dem Präfix von E-Mails zu assoziieren, als ob es eine Antwort auf die erste Iteration von ARDC wäre. Im Jahr 2015 startete die erste Version als ARDC und wurde auch in Artikeln der Versorgerin (#108, #136) vorgestellt.

Ein von Künstler*innen betriebenes Rechenzentrum

Im servus.at-Team bezieht sich der Begriff ARTIST RUN DATA CENTER (ARDC) auf die vielen virtuellen Maschinen (VMs), die Künstler*innengruppen auf einem unserer dedizierten Server hosten. Eine virtuelle Maschine (VM) ist eine Computerressource, die Software anstelle eines physischen Computers verwendet, um Programme und Anwendungen auszuführen. Eine VM kann man sich als einen voll funktionsfähigen Computer oder Server vorstellen, so wie ihn jeder normale Benutzer kennt, nur dass es keine eigenen physischen Komponenten oder Maschinen gibt, die nur diesen einen Rechner betreiben. Sie ist in der Tat "virtualisiert". Auf diese Weise können mehrere virtuelle "Gast"-Maschinen auf demselben physischen "Host"-Rechner laufen. Jede virtuelle Maschine führt ihr eigenes Betriebssystem aus und funktioniert getrennt von den anderen VMs, auch wenn sie alle auf demselben Host-Rechner laufen.
Aufgrund ihrer Flexibilität und Einsatzfähigkeit werden VMs häufig als Plattformen für die Zusammenarbeit in und zwischen Kollektiven verwendet. Zusätzlich können VMs von jedem PC-Besitzer verwendet werden, wenn die Notwendigkeit besteht ein Programm auszuführen, das im verwendeten Betriebssystem (OS) nicht verfügbar ist und die Installation einer Instanz des benötigten OS nicht gewünscht oder möglich ist.

Das ARDC bezeichnet im servus.at-Rechenzentrum solche Räume zum Experimentieren und Austauschen, die sich inhaltlich unabhängig von uns entwickeln.

Derzeit befinden sich rund 20 VMs in der ARDC-Maschine. Einige davon sind stillgelegt oder nur Backup-Projekte, andere laufen noch (wie die Pervasive Labor Union) oder sind experimentelle Versionen.

Es ist wichtig zu wissen, dass die VM im Allgemeinen mehr ist als die Website, die beim Besuch einer mit einem ARDC verbundenen URL angezeigt wird. Im Inneren des Servers findet viel mehr (unsichtbare) Arbeit statt. Auf diesen Rechnern ist oft mehr oder weniger benutzerdefinierte oder modifizierte Software im Einsatz, die bestimmte Aufgaben ausführt.

Ein Beispiel für ein Re:ARDC-Projekt ist das von Vo Ezn: die Website f00f.fail ist ein Meta-Projekt, das die Rechenprozesse sichtbar macht, die in einem Server hinter der Benutzeroberfläche ablaufen. Es wurde im Rahmen des AMRO Research Lab 2023 realisiert. Für die Ausgabe #139 der Versorgerin (September 2023) führte Aimilia Liontou vom servus.at-Team ein Gespräch mit Vo Ezn, aus dem der Artikel "Creating introverted interfaces and taking care of servers" entstand (Versorgerin #139).

Neben diesen Projekten, die von Kollektiven und Künstlern selbst durchgeführt werden, haben wir auch das Konzept der "virtuellen Residenzen" vorgestellt. Ähnlich wie bei Artists-in-Residence, bei denen Menschen von Kulturinstitutionen oder -initiativen eingeladen werden, über einen bestimmten Zeitraum an einem Kunstprojekt zu arbeiten, haben die ausgewählten KünstlerInnen oder Gruppen Zugang zu einer Virtual Machine (VM) innerhalb der servus.at-Infrastruktur und nutzen diese als Ort für die Produktion, Entwicklung oder Kommunikation ihres Porjekts. Wie bei den meisten Projekten, die in irgendeiner Form mit uns zu tun haben, werden Ansätze bevorzugt, die sich kritisch mit der Rolle der Infrastruktur auseinandersetzen und den Server als Ort der Begegnung verstehen.

Ein Beispiel für solche Residencies sind "Next Cloud Residency" und "Next Cloud Atelierhaus", zwei Projekte, die 2021 und 2022 unter Nutzung der servus.at-Infrastruktu – genauer gesagt der Cloud, die den meisten servus.at-Mitgliedern bekannt sein dürfte – stattfanden.

Im Rahmen des Residency-Programms wurde im Jahr 2021 jeden Monat ein neues Kunstwerk eines anderen Künstlers in der Cloud öffentlich präsentiert.
Im Jahr 2022, nach der positiven Evaluierung der "Next Cloud Residency", haben wir das Konzept weiterentwickelt und das "Atelierhaus" ins Leben gerufen. Hier haben wir damit experimentiert, wie unsere digitale Infrastruktur zu einer Kunstinstitution und einem Ausstellungsraum werden kann. Sowohl Mitglieder als auch externe Nutzer konnten bei der Verwendung der Cloud in einem Browser einen Link am unteren Rand sehen und das "Atelierhaus" besuchen.

Von der Website zu den Tools

Neben der neuen Website und einer ansprechenden visuellen Darstellung wollen wir unsere Mitglieder auch in einigen unserer anderen laufenden Projekte repräsentieren - zum Beispiel im book of servus. Das book of servus, das in erster Linie Dokumentation und HIlfestellungen zu den von servus.at zur Verfügung gestellten Tools (Cloud, Mail, Kalender etc.) enthält, soll auch als zusätzlicher Bestandteil von Re:ARDC fungieren. Die Präsentation gut durchdachter und gestalteter Einsatzmöglichkeiten unserer Tools als Best-Practice-Beispiele könnte andere Mitglieder ermutigen, mehr F/LOSS (Free/Libre Open Source Software) einzusetzen und praktische Beispiele für die Anwedungsmöglichkeiten unserer Tools zu liefern.

Wir nutzen unsere Infrastruktur bereits als Raum, in dem Mitglieder künstlerische Arbeiten aufführen und ausstellen können, wie die Projekte "Next Cloud Residency" und "Next Cloud Atelierhaus" 2021 und 2022, wenn es darum geht, aktiv neue Inhalte zu generieren, oder mit dem book of servus, in dem wir bereits bestehende Best-Practice-Beispiele vorstellen. Aber diese Ressourcen können ihren Zweck nur erfüllen, wenn unsere Mitglieder aktiv werden, sich beteiligen und zusammenarbeiten.

Ein weiteres wichtiges Instrument für das Re:ARDC Projekt, das servus.at zur Verfügung stellen und mit Inhalten füllen kann, sind Newsletter. Servus.at betreibt zwei davon: einen allgemeinen servus.at-Newsletter und einen speziell für Menschen in und um AMRO, unser Community-Festival "art meets radical openness". AMRO wird seit 2008 biennal von servus.at in Kooperation mit der Kunstuni Linz, Abteilung für Zeitbasierte Medien, organisiert - im Mai fand die Ausgabe 2024 statt, siehe auch Ausgabe #36 der Referentin.

Der allgemeine servus.at-Newsletter wird monatlich verschickt. Neben aktuellen Entwicklungen in und um servus.at wird ein wesentlicher Bestandteil die (visuelle) Darstellung unserer vielfältigen Community sein. Servus.at-Mitglieder erhalten den Newsletter automatisch, alle anderen Interessierten können sich hier anmelden.
Den Newsletter an sich gibt es schon lange, allerdings haben wir heuer damit begonnen, unsere Mitglieder und ihre Communities sowie ihre jeweiligen Projekte in den Vordergrund zu stellen. Wir sind uns natürlich bewusst, dass Newsletter nur bestimmte kunst- und technikaffine Menschen erreichen und manche UserInnen sich nie die Mühe machen werden, diese zu öffnen. Dennoch sind wir der Meinung, dass ein gut gestalteter und informativer Newsletter diese Probleme überwinden und die von uns gewünschte Reaktivität sowie die von unseren Mitgliedern benötigte Repräsentativität entwickeln kann.

Ein Ergebnis dieses umfangreichen Projekts ist die Tatsache, dass die Entwicklung von Re:ARDC ein fortlaufender Prozess sein wird, selbst wenn die anfängliche Einrichtung abgeschlossen ist. Natürlich ist sich servus.at der Herausforderungen bewusst, die mit diesem Projekt einhergehen, zumal Sichtbarkeit und Kommunikation wohl die anspruchsvollsten Aufgaben in jedem Kollektiv oder jeder Organisation sind.
Die Aussicht auf eine gut vernetzte servus.at-Community und den damit verbundenen kreativen Fluss erhebt das ganze Projekt von einem "nice-to-have"-Status zu einem unverzichtbaren Eckpfeiler unseres gemeinsamen kreativen, technologischen und/oder aktivistischen Schaffens.


Dieser Text wurde von servus-Teammitglied Vinzenz geschrieben und wurde ursprünglich auf versorgerin.stwst.at #141 veröffentlicht.

Vinzenz Gideon Landl, geboren 1995, studierte elektroakustische und experimentelle Musik am Institut für Elektroakustik der mdw, ist Kulturarbeiter (KLANGfestival, Kulturpool Gusental), Tontechniker, Musiker in den Bandprojekten DVRST (Elektronik) und gebenedeit
(Schlagzeug) und produziert KUPF-Podcasts.Seit 2023 ist er für servus.at tätig.