Von Access Point zu Access Point

Interview für Malmoe.

Über die Linzer Netzkulturszene, lokale
Festivalisierungstendenzen, Förderungsmodelle und die Zuarbeit von KulturproduzentInnen für die Politik spricht sie im Malmoe Interview.

In einem Interview mit der Linzer Stadtzeitung VersorgerIn beschreibst du die Spezies Netzkünstler nach einer Definition der Cyberfeministin Cornelia Sollfrank folgendermaßen: "Netzkünstler gruppieren sich in der Regel um Orte, an denen gute Produktionsbedingungen herrschen. Dies sind entweder Hochschulen oder unabhängige Netze, an deren Entstehung die Künstler oft mitarbeiten und die eigentlich den einzig fruchtbaren Boden für künstlerische Interventionen bilden." Wie würdest du die Netzkultur-Szene und Infrastruktur in Linz und Oberösterreich beschreiben?

Diese Definition habe ich vor 6 Jahren zitiert. Heute würde ich die in dem Zusammenhang genannten NetzkünstlerInnen um ProduzentInnen im Kunst- und Kulturbereich erweitern.
Und zu den genannten Orten: Auch wenn sich die Art des Produzierens geändert hat und Kunst- und KulturproduzentInnen mit Ihren schicken Laptops von Access Point zu Access Point bzw. von Festival zu Festival reisen, sind diese Orte und Produktionsstätten von unschätzbarem Wert.
Das Netz hat sich grundlegend verändert und greift mehr und mehr in kulturelle Entwicklungen ein. Es muss Initiativen geben, die diese Entwicklungen kritisch und dekonstruktiv auf verschiedenste Weisen bearbeiten. Indirekt haben die Aktivitäten von UserInnen die Entwicklung des Netzes vorangetrieben und Monopolisten wie google, yahoo und Konsorten groß werden lassen. Es geht wie im realen Raum auch im virtuellen darum, autonome Zonen zu sichern und sich dafür einzusetzen, was ein Aspekt von Netzkultur ist.
Linz hat sehr aktive ProduzentInnen und eine lebendige Szene. Was die Infrastruktur im Netz betrifft steht "servus.at" Kunst und KulturproduzentInnen sowie Initiativen in diesem Feld zur Verfügung. Die Struktur von servus.at konnte sich durch die Bedürfnisse ihrer NutzerInnen entwickeln und ist eine wichtige Partnerin für die Realisierung von Projekten, wobei zum Beispiel die Verwendung von freier Software eine wesentliche Rolle spielt. Schon bevor ich die Geschäftsführung übernommen habe, habe ich diese Struktur aktiv genutzt. Servus.at ist auch die einzige Initiative in Oberösterreich, die sich mit dem Thema Open Source, Freie Software beschäftigt, gegen Software Patente auftritt und versucht Kunst- und Kulturschaffende für diese Themen zu sensibilisieren. Die Stadt Linz honoriert uns nur wenig, es bedarf massiver Aufklärungsarbeit.
Die zunehmende Festivalisierung hat zudem Auswirkungen auf lokale Initiativen, die einen ganzjährigen Betrieb führen und die Politik tut auch alles dazu, Kunst und Kultur ausschließlich aus gewinnorientierter Perspektive zu definieren. Die gängige Praxis der herrschenden Politik, die hauptsächlich Projekte als ImpulsgeberIn sucht, um daraus selbst Profit zu schlagen, macht es vor allem schwer für Initiativen, die schon länger existieren und kontinuierlich arbeiten.

In einer Aussendung des "Konsortiums Netzkultur", an dem du beteiligt bist, wird dazu aufgerufen das umstrittene Wiener Fördermodell "mana" mit sofortiger Wirkung auszusetzen. Wie sähe für dich ein optimales Fördersystem für Netzkulturen aus?

Ein ideales Fördersystem gibt es nicht. Es ist vieles in der Aussendung des "Konsortium Netzkultur" erwähnt, was ich in dieser Frage auch vertrete. Interessant am mana-Modell ist ja unter anderem, dass es in dem ganzen Prozedere schlussendlich erst recht zu einem "Validierungsgremium" gekommen ist, das sich ja nicht wesentlich von bekannten Modellen unterscheidet.
Von mir gibt es zudem auch eine klares persönliches Nein – und wenn das noch so "oldschool" ist – zu dem Zustand, dass die Politik ihre Aufgaben auslagert und die Verteilung von Fördermittel einer Community, die selbst zu den EinreicherInnen gehört, überlässt, um sich dann unschuldig zurückzulehnen - selbst wenn das von den InitiatorInnen von mana zunächst nicht intendiert war. Es zeigt nur, wie bequem der ganze Apparat ist.
Außerdem gibt es zum Thema Fördermodelle sehr wohl Vorschläge, um etwa das ganze Ansuchenprozedere zu vereinfachen, vor allem aber um diesen Bereich ausreichend mit finanziellen Mitteln auszustatten (auf Basis einer Bedarfserhebung), damit Strukturen existieren können, die partizipativen Zugang zum Netz und entsprechende Experimente nicht nur für die Sekunde eines Projektes aufpoppen, sondern auf diesem Feld kontinuierliches Arbeiten ermöglichen.
Das allerdings widerspricht natürlich der oben beschriebenen generellen Tendenz Richtung markttauglich verwertbarer kurzfristiger Projekte, die auch lokal in Linz herrscht.
Eine Verbesserung des Fördersystems muss dagegen darauf abzielen, dass sich die Kulturpolitik eben entsprechende Kompetenzen in den jeweiligen kulturellen Feldern aneignet.
Wobei Linz durchaus aktiv ist, was die Zuarbeit für die Politik anbelangt. Mit der Initiierung von diversen Modellen, wie LinzImpuls oder Linz Export durch die freie Szene wurde beispielhaft gezeigt, dass auf jeden Fall Bedarf an zusätzlichen Mitteln gegeben ist.

In den Auseinandersetzungen um die Verteilung der Wiener Netzkultur-Fördergelder tun sich ja besonders diverse Jungmännerbünde hervor. Dass das "Netz" in Sachen Geschlechterpolitiken alles andere als ein neutraler Raum ist, liegt auf der Hand. Netzkultur hat aber auch eine Vielzahl von Frauennetzwerken und feministischen Vernetzungen hervorgebracht. Beispielsweise bist du ja im Redaktionsteam und Vorstand der Plattform "FACES" (http://www.faces-l.net)

Mein erster Kontakt zu FACES entstand durch ein reales Treffen 2000 in Berlin. Im Zuge dieses Treffens ist ein Projekt entstanden sowie eine engere Verbindung zu einigen InitiatorInnen von FACES. Ab da war ich eben auf dieser Liste, die damals unter Yahoo gelaufen ist, was mir ein Dorn im Auge war und ich habe 2001 initiiert, dass FACES zu servus. at übersiedelt.
Warum dieses Netzwerk 1996 entstanden ist, liegt weit vor meiner Zeit. Aber ein wesentlicher Grund war, dass es so gut wie keine Frauen gab, die im Rahmen einer damals aufblühenden Festival-Szene rund um Neue Medien zu sehen waren.
Faces hat mittlerweile über 300 Subscriberinnen und ist bis jetzt als Liste sehr aktiv, was das promoten von Aktivitäten angeht.
Ich persönlich glaube, dass die Liste im Hintergrund unheimlich viel beeinflusst. Es entstehen einfach Kontakte, die man nicht alle auf der Liste mitbekommt – wodurch andererseits viel informelle Kommunikation (Einladungen, Austausch etc.) im Hintergrund abläuft, was ich manchmal ein bisschen schade finde. Die Webseite, die eigentlich dafür gedacht war, mehr über das Netzwerk sichtbar/verfügbar zu machen, funktioniert begrenzt.
Frauennetzwerke tendieren ja dazu, etwas abgeschlossen zu sein, was ich strategisch für nicht gut halte. Es benötigt insofern sehr viel Zeit, Leute aktiv einzuladen und zu motivieren. Ab und an Treffen mit TeilnehmerInnen der Liste an realen Orten zu organisieren, funktioniert dagegen auch international sehr gut.
Mich interessiert in diesem Zusammenhang vor allem das Phänomen, wann und wodurch eine Community entsteht und dann wie selbstverständlich funktioniert, um Inhalte zu publishen oder gemeinsam an etwas zu arbeiten.

Interview: Eva Egermann